Wie reagiere ich, wenn ein Kind lügt?
Frage
Ich habe folgende Frage: Wie können Kita, Mutter und ich (Heilpädagogin) mit (Lügen)Geschichten von einem Kind (5,3 Jahre) umgehen? Das Kind erzählt besonders in der KiTa viele Geschichten meistens über ihre Mutter oder Familie, die nicht stimmen, wie meine Mutter bekommt ein Baby, ich habe einen Bruder usw. Ich nehme es immer so hin, die Mutter legt Wert darauf, dass das Kind keine “Märchen” erzählt. Ich würde ja sagen, dass wir da nicht weiter drauf eingehen sollten und so hinnehmen, aber ich bin mir nicht so sicher.
Antwort
Zunächst einmal möchte ich auf das Wort „Lügen“ eingehen.
Eine „Lüge“ ist eine Aussage, von der der Sender weiß oder vermutet, dass sie unwahr ist. Die „Lüge“ wird mit der Absicht geäußert, im Gegenüber einen falschen Eindruck hervorzurufen. Die Person, die lügt, hat also eine bewusste Täuschungsabsicht.
Ich bin der Meinung, dass Menschen, die jünger sind als 10 Jahre, meist noch gar nicht in der Lage sind, solch eine Täuschung bewusst zu planen. Besonders Kinder unter 7 Jahren erzählen „ihre Geschichten“ aus einem anderen Grund.
Vielleicht erinnerst du dich an einen zentralen Satz der Entwicklungsbegleitung: Jedes Verhalten eines Menschen ist für ihn, in seinem Kontext, sinnvoll. Und genau über diesen Sinn sollten sich die Menschen, denen das Kind seine „Geschichten“ erzählt, Gedanken machen. Denn wenn ein Kind in diesem Alter solche Dinge erzählt, dann möchte es nicht sein Gegenüber täuschen, sondern etwas damit aussagen. Was dies ist, kann ich natürlich nicht wissen, aber die Beteiligten können es herausfinden. Dazu solltet ihr weder dem Kind verbieten, so etwas zu erzählen, noch es ignorieren bzw. es einfach so hinnehmen. Im ersten Fall fühlt sich das Kind in seinen Wünschen, Gefühlen und Bedürfnissen zurückgewiesen und im zweiten Fall fühlt es sich nicht gesehen.
Aus meiner Sicht wäre ein möglicher Weg, dass ihr euch mit dem Kind über seine „Geschichten“ unterhaltet, um herauszufinden, was der dahinterstehende Sinn, das dahinterstehende Bedürfnis ist. Dabei geht es nicht um die Bewertung: „Das ist richtig, das ist falsch“, sondern um ein mitfühlendes Eingehen auf das Kind: „Für dich scheint es wichtig zu sein, dass…“ oder „Ich höre von Dir, das du dich mit … beschäftigst.“ Es ist auch möglich, einfach nur Interesse zu zeigen: „Erzähl mir mehr davon, ich möchte wissen, was du dazu zu sagen hast.“
Ein weiterer wichtiger Punkt ist aber das Verhalten der Mutter (eventuell beider Eltern). Wenn Eltern erleben, dass ihr Kind Dinge erzählt, die aus ihrer Sicht nicht stimmen, dann machen die Eltern sich Sorgen, sie sind destabilisiert. Hinzu kommt, dass die Eltern nicht möchten, dass ihr Kind etwas tut, das gesellschaftlich nicht akzeptiert ist. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Eltern Unterstützung erhalten im Sinne von Verständnis. Nur wenn die Eltern sich in ihrer Situation verstanden und nicht verurteilt fühlen, können sie Verständnis für die Verhaltensweisen ihres Kindes entwickeln und müssen diese nicht ablehnen bzw. verbieten.